Ein Bekannter erzählte mir vor einigen Tagen, dass ein sehr grosser Konzern vom Marketing aus eine Plattform aufgebaut hat, wo Produkte inkl. dynamischem Pricing angezeigt werden. In der realtime Analyse wurden Auslastungs- sowie saisonale Daten etc. beigezogen, um den dynamischen Preis zu errechnen. Eine wirklich tolle Idee, jedoch bestellen konnten die Kunden diese Angebote leider nicht, da keine Schnittstelle zum Vertriebsprozess vorhanden war.
Die Erfahrung zeigt leider, dass dies kein Einzelfall ist. Nur fragen sich vermutlich einige, wie kann so etwas passieren? Ich möchte gerne anhand von Beobachtungen mögliche Gemeinsamkeiten aufzeigen. Oft kann bei solchen Projektorganisationen ein starkes Silodenken mit klaren Kostenstrukturen festgestellt werden. Spätestens bei der Frage, auf welche Kostenstelle der Aufwand gebucht wird, sollte festgestellt werden können, ob siloübergreifend vorgedacht wurde. Wenn es auf diese Frage hin ruhig im Raum wird, wissen wir, dass bei der Budgetierung vermutlich etwas vergessen wurde. Wobei vergessen ist vielmals nicht ganz richtig. Die Erfahrung zeigt, dass das Budget in der Geschäftsleitung nicht durchkommt, wenn zu viel auf den «Schubkarren gepackt wird». Auf die Frage, ob die anderen Abteilungen Mitarbeiter für das Projekt freistellen könnten, wird meist negativ reagiert. Dadurch könnte der noch nicht freigegebene Projektantrag ebenfalls nicht durchkommen.
Wenn aber das Projekt einmal freigegeben ist, müssen die anderen auch eher mitspielen. Meist sind Wissensträger nicht sehr erfreut, wenn sie neben dem Tagesgeschäft noch für eine andere Abteilung tätig sein müssen. Es wird versucht, vieles in eigener Reihe oder mit externen Spezialisten zu lösen, da die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit immer intransparenter wird, weil sie neben dem Projektziel alle ihre individuellen Aufträge erfüllen müssen.
Also wird während des Projektes der Umfang in leicht verdaubaren Dosen erweitert. Das ist wahrscheinlich menschlich, denn wir können dieses Verhalten auch in unserem Privatleben feststellen. Wenn wir zum Beispiel eine Motorradtour planen oder etwas «unvernünftiges» kaufen, kommunizieren wir mit unseren Partnern vermutlich ebenfalls in kleinen verdaubaren Dosen. Das hat sicherlich damit zu tun, dass sich der Appetit, das Programm oder die Route wie in einem Projekt auch ändern könnten, aber lieber portioniert anfangen und die Reaktion abwarten um anschliessend den vollen Umfang preiszugeben. So etwa; «ich gehe mit den Jungs am nächsten Samstag weg…vielleicht auch bis Sonntag.»
Anzutreffen ist ebenfalls, dass zwar der Marketing- mit dem Verkaufsprozess etc. orchestriert wurde, aber unterschiedliche Segmente oder ausgelagerte Bereiche wie zum Beispiel die Logistik in der Gesamtsicht fehlen. So kann der Kunde von einem Segment enorm zufrieden sein, aber die Reise endet hier nicht. Die Unzufriedenheit der Kunden mit einem Segment können auch auf andere Segmente negative Auswirkungen haben. So kann es aber auch einen Einfluss haben, wenn das Marketing einer Telefongesellschaft aggressive Angebote für Neukunden anbietet. Mit einer solchen Aktion könnten sich Bestandeskunden die Frage stellen; «Wieso soll ich für die gleiche Leistung einen höheren Preis bezahlen? Muss ich nun meine Reise bei diesem Anbieter beenden um von den gleichen Konditionen profitieren zu können?».
Ein Autoimporteur der auch eine Leasinggesellschaft und eigene Garagen besitzt, sollte daher auch die ganze Kundenreise inklusive der Finanzierung sowie der Serviceabwicklung betrachten. Der Kunde reagiert meist nicht rational. Verärgern die Supportmitarbeiter der Leasinggesellschaft die Kunden oder wird ein klarer Garantiefall nicht zufriedenstellend abgewickelt, kann das Einfluss auf die Loyalität des ganzen Systems bzw. Konzerns haben.
Die Lösung heisst daher User Experience Management. Gemäss Wikipedia umschreibt User Experience (UX) alle Aspekte der Erfahrungen eines Nutzers bei der Interaktion mit einem Produkt, Dienst, einer Umgebung oder Einrichtung. Es wird auch von einer Nutzererfahrung oder einem Nutzererlebnis gesprochen. Dazu zählen auch Software und IT-Systeme. Der Begriff kommt meist im Zusammenhang mit der Gestaltung von Websites oder Apps zur Anwendung, umfasst jedoch jegliche Art der Produktinteraktion, also zum Beispiel auch die nicht-digitale, physische Nutzung. Ziel ist, die Prozess- und Kontaktqualität im Sinne eines Erlebnisses zu optimieren, um Kundenzufriedenheit sicherzustellen und einen Differenzierungspunkt zu schaffen. Mit Hilfe einer Customer Journey Map wird die ganze Kundenreise aufskizziert. Eine systematische Erfassung der Customer Touchpoints schafft eine hohe Transparenz über alle Berührungspunkte. Damit lassen sich die Moments of Truth, also Begegnungen, identifizieren, die das Kundenerlebnis entscheidend beeinflussen. Diese Begegnungen können z. B. direkt durch einen Kauf, ein Beratergespräch, ein Telefonat, ein Mailing oder indirekt durch Hörensagen, über Meinungsportale und Diskussionsforen im Internet, einen Pressebericht oder eine Weiterempfehlung sein. Ein einziger Moment of Truth kann ausrichten, ob sich der User dem Unternehmen näher zuwendet, dem Unternehmen treu bleibt oder sich vom Unternehmen bzw. der Marke abwendet.
Zunächst müssten die wichtigsten Schritte identifiziert werden, die eine definierte Persona z.B. „VIP mit grosser Kaufkraft“ während einer Interaktion durchläuft. Für einen Konzertveranstalter sind neben dem eigentlichen Show-Act, die Infobeschaffung, Buchung, Ticketausgabe, Anreise, Einchecken, Verpflegung und Abreise massgebend. Nachfolgend werden die Hauptschritte in drei bis vier untergeordneten Schritte unterteilt. Die untergeordneten Schritte beim Einchecken sind zum Beispiel der Aufruf des Tickets über die App und abscannen des Codes inklusive Sicherheitskontrolle.
In diesen untergeordneten Schritten lassen sich einflussreiche Momente sowie negative und positive Erlebnisse identifizieren. Mit Hilfe dieser Faktoren erhalten wir Einblicke in die Moments of Truth. Mit sogenannten «Next Best Actions» können mit Hilfe der Datenanalyse Informationen aus dem Kundenprofil, der Kundenhistorie, aber auch aus Rahmenbedingungen beziehungsweise Kontext-Daten verwendet werden, um dem Kunden Produkte oder eine Dienstleistung zu empfehlen. Damit kann auch aus einem negativen Erlebnis eine positive Stimmung erzeugt werden. So kann per App einer Persona «Stehplatzkunde mit kleinem Budget» ein kostenloses Getränk angeboten werden, wenn der Kunde zu lange an den Getränkeständen anstehen muss. Einem «VIP mit grosser Kaufkraft» kann ein «Meet and Greet Upgradepackage» zu günstigeren Konditionen angeboten werden, wenn er ganz vorne an der Bühne sitzt und dieses Package nicht ausgebucht ist.
Gemäss einer von Forbes Insights durchgeführten Studie konnten durch Einsatz von Analytik zur Optimierung von datengesteuerten Customer-Experience-Management-Initiativen folgende Hauptverbesserungen festgestellt werden:
- bessere Erkenntnisse über Kunden des Unternehmens und eine einheitliche Sicht auf sie
- mehr Vertrauen in die eigenen Entscheidungen bei Managern und Mitarbeitern
- engere Beziehung zu den Kunden
- höhere Umsätze/Einnahmen
- mehr Folgegeschäfte mit Kunden
- Kosteneinsparungen/effektiverer Einsatz des Marketingbudgets
- verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen
- schnellere Reaktion auf Veränderungen im Markt
Dieses Studienergebnis zeigt ein klares Bild auf. Durch die ganze Betrachtung, Orchestrierung und Tracking der Kundenreise sowie Prüfung der Prozess- und Kontaktqualität über alle Touchpoints hinweg, können nicht nur die Investitionen schneller eingespielt, sondern auch die Loyalität der Kunden und auch der Mitarbeiter erhöht werden.
In der digitalisierten Welt wird diese Kundenreise von automatisierten bzw. ausgelagerten Prozessen oder Einflussfaktoren wie zum Beispiel der Einsatz von Bots, Ausfall von Sensoren und Websites oder negative Berichte in Foren etc. beeinflusst. Daher wird das Customer Experience Management über alle Firmengrössen und Branchen hinweg immer wichtiger, um Transparenz schaffen zu können.